Tageszeichnung vom 14.01.2011
Tageszeichnung
14.01.2011
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Auftragstext
Es war eigentlich ein ganz normaler Morgen und ich stand auf, stakte kurz ins Bad und ging dann in die Küche um etwas zu frühstücken, auf dem dunklen Flur traf ich mein Schwester, die zu der Zeit noch schreckliche Launen schob; Pubertät nannte meiner Mutter das, und ich – die kleinere – wusste, dass es besser war stillschweigend an ihr vorüberzugehen. Die letzten Tage waren nicht gut gewesen, aber ich hatte einfach versucht so gut wie möglich Augen und Ohren zu verschließen – darin war ich ziemlich gut, darin war die ganze Familie gut. Am Küchentisch saß mein Vater und weinte. Ich hatte meinen Vater erst einmal weinen sehen, das war als seine Mutter starb. Meine Oma. Ich weinte damals auch, aber nicht weil meine Oma tot war, das war mir ziemlich egal, ich weinte weil mein Vater weinte. Ich fragte mich wie viele Menschen eigentlich wirklich auf dem Friedhof um die Verstorbenen weinen und wie viele um die Traurigen weinen. Mein Vater nahm mich wortlos an der Hand und weinte weiter, ging mit mir vor die Wohnungstür und schloss sie. Dann zog er den Schlüssel aus seiner Hosentasche, dabei starrte er mich wortlos und durchdringend an. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür wieder. Die Situation war wie ein Film, oder ein Traum, ein Traum den man einfach nicht versteht, weil alles sich umdreht und ganz verkehrt erscheint, aber alle so tun als müsste es so sein. Ich hatte Angst, weil ich es nicht verstand – so etwas passierte einfach nicht hier. Er sagte: „Ich muss jetzt gehen, aber ich habe einen Schlüssel.“ Und er weinte noch mehr, noch viel mehr und obwohl er körperlich viel größer war als ich, war ich plötzlich groß und er ganz klein und so ist es geblieben. Obwohl er einen Schlüssel hatte, kam mein Vater nie zurück.



Translation

It was actually just a normal morning and I got up and made a brief stop in the bathroom, only to go to the kitchen and have some breakfast.
   In the dark hallway, I met my sister, who was then terribly moody: puberty called it my mother and I - the smaller one - knew that it was better to quietly pass over her. In recent days, the atmosphere at home was pretty bad, but I tried as best as possible to close my eyes and ears - and that was something I was really good, like the rest of the family.
   My father was sitting at the kitchen table and cried. I had seen my father cry only once, that was when his mother died. My grandma. I cried then too, but not because my grandma died, it did not really care, I was crying because my father was crying.
I wondered how many people actually really cry at the cemetery for the dead and how many weep for the sad ones. My father took me by the hand without saying a word and continued to cry, and went with me before the front door and closed it. Then he took the key from his pocket, while he stared at me wordlessly and penetratingly. He put the key into the lock and opened the door again. The situation was like a movie or a dream, a dream that you just do not understand, because everything turns around and seems very wrong, but everyone says it's okay.
   I was scared because I did not understand what was going on – this just happened not here. He said: ". I must go now, but I have a key," And he cried even more, much more, and although he was physically much bigger than me, I become big and he suddenly quite small and so it has remained. Although he had a key, my father never returned.